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20. Nov. 2025|9 MIN.
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Warum kann Japan nicht auf russische Energieressourcen verzichten?

Photo: Depositphotos

Japan weist einen sehr geringen Energie-Selbstversorgungsgrad auf; die eigene Energieproduktion liegt unter 15 % (Selbstversorgungsgrad ~12,6 % im Jahr 2022). Der Großteil des Energieverbrauchs (≈90 %) wird durch Importe von Öl, Gas und Kohle gedeckt. Insbesondere Öl macht über 40 % der Primärenergieressourcen aus. Traditionell sind der Nahe Osten und Südostasien die wichtigsten Energielieferanten.

Bis 2022 konnte russlands Öl die Abhängigkeit vom Nahen Osten, dessen Importe über 90 % betrugen, etwas ausgleichen. Nach Beginn des Krieges mit der Ukraine setzte Japan die direkten Käufe von russischem Öl aus (im Fiskaljahr 2022/23 sanken die Importe um 88,5 % auf 0,4 % der Gesamtlieferungen).

Das Land orientiert sich jedoch weiterhin an russischen Energiequellen, insbesondere Gas, da eine rasche Umstrukturierung des Energiehaushalts schwierig ist. Das Problem besteht darin, Japans Verpflichtungen gegenüber der G7 (Sanktionen gegen Russland) mit seinen nationalen Interessen an der Energiesicherheit in Einklang zu bringen.

Japans Energieabhängigkeit

Japan importiert fast alle seine fossilen Brennstoffe. Laut dem japanischen Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie (METI) stammen rund 94 % des Primärenergiebedarfs aus Erdöl, Kohle und Flüssigerdgas. Insbesondere deckte Erdöl in den letzten Jahren etwa 40,3 % des Bedarfs, LNG etwa 18,2 % und Kohle etwa 22,7 %. Fast die gesamte Menge wird importiert (der Selbstversorgungsgrad bei Erdöl und Erdgas liegt unter 1 %). Der Minister für Wirtschaft, Handel und Industrie betonte im Jahr 2025, dass Japan „den Großteil seines Energiebedarfs durch Importe fossiler Brennstoffe deckt“.

Diese Abhängigkeit macht das Land verwundbar – Lieferengpässe (aufgrund militärischer oder geopolitischer Krisen) wirken sich unmittelbar auf Wirtschaft und Sicherheit aus. Deshalb bemühte sich Japan bis 2022 um eine Diversifizierung der Lieferquellen, doch der Anteil des Nahen Ostens an den Kohlenwasserstoffen blieb kritisch hoch.

Russisches Rohstoffe haben die Versorgungsengpässe teilweise ausgeglichen. Bevor Tokio im Februar 2023 die Importe von russischem Öl einstellte, deckten russische Lieferungen über 90 % der japanischen Abhängigkeit von Öl aus dem Nahen Osten ab. Danach sanken die russischen Liefermengen auf nahezu null (im März 2023 waren sie nicht mehr vorhanden), obwohl Russlands Anteil an Japans Ölimporten zuvor mehrere Prozent betrug.

Demnach ist die nationale Sicherheit durch einen Energieengpass gefährdet. Laut dem japanischen Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie (METI) befürchtet die japanische Regierung, dass ein plötzlicher Stopp bedeutender Lieferungen (insbesondere aus Projekten mit Beteiligung lokaler Unternehmen) zu drastischen Preiserhöhungen und Stromausfällen führen könnte. Ohne stabile Öl- und Gasimporte drohen dem Land Defizite mit sozioökonomischen Folgen.

Obwohl nach 2022 direkte Einkäufe russischen Rohöls eingestellt wurden (Russlands Anteil an den Importen beträgt ca. 0,4 %), sind japanische Unternehmen weiterhin an mehreren Ölprojekten in Russland beteiligt. Das wichtigste davon ist Sachalin-1 (Offshore). Dieses Projekt umfasst drei Öl- und Gasfelder mit Gesamtreserven von ca. 307 Millionen Tonnen Öl und 485 Milliarden m³ Gas. Nach dem Ausstieg von ExxonMobil aus seiner 30-prozentigen Beteiligung im Jahr 2022 werden 20 % von Rosneft, 20 % von ONGC (Indien) und 30 % vom japanischen Konsortium SODECO (bestehend aus METI, Marubeni, Itochu, Japan Petroleum Exploration und INPEX) kontrolliert. METI betont, dass „das Sachalin-1-Projekt weiterhin von ausschlaggebender Bedeutung für Japans Energiesicherheit ist“. Marubeni, einer der japanischen Investoren, äußerte sich besorgt über die Sanktionen gegen Rosneft und sicherte zu, die staatlichen Richtlinien bezüglich der Beteiligung an diesem Projekt einzuhalten. Sachalin-1 ist für Japan daher nicht nur aus Ölperspektive wichtig (das Fördervolumen ist derzeit gering und rückläufig), sondern auch als geopolitische Investition und Quelle technologischen Know-hows.

Japan ist deutlich stärker von russischem Flüssigerdgas abhängig. Laut METI machten russische LNG-Importe im Fiskaljahr 2023 etwa 9 % der gesamten japanischen LNG-Importe aus (im Wert von etwa 3,62 Milliarden US-Dollar im Jahr 2024).

Die Schifffahrtsrouten – auf dem Seeweg von Sachalin durch den russischen Fernen Osten zu japanischen Terminals – ermöglichen im Vergleich zu vielen anderen Regionen kürzere Transportzeiten. Trotz geopolitischen Drucks bleibt Japan (über seine Unternehmen) am Projekt Sachalin-2 beteiligt und hat diese Verträge noch nicht vollständig aufgegeben. Die Regierung erklärte, sie werde „unter Berücksichtigung nationaler Interessen“ handeln.Erschließung der Offshore-Ressourcen Sachalins. Quelle: Nippon.com

Sanktionsdruck und Japans politische Linie

Japan ist Mitglied der G7 und unterstützt die Verurteilung der russischen Aggression. 2022 versprach die japanische Regierung gemeinsam mit ihren Verbündeten, die Ölimporte aus Russland schrittweise einzustellen. Im Zuge westlicher Sanktionen verweigert Tokio den Import des Großteils russischen Öls (mit Ausnahme kleiner Mengen im Rahmen einer Sondergenehmigung). Darüber hinaus hat Japan eigene Beschränkungen verhängt – beispielsweise wurden russische Vermögenswerte im Wert von rund 40 Milliarden US-Dollar eingefroren und der Export bestimmter Technologien (Mikrochips, Militärfahrzeuge usw.) verboten.

Japan geht in Energiefragen jedoch mit Bedacht vor. Die Regierung betont die Notwendigkeit, die „nationalen Interessen“ zu wahren und sich gleichzeitig mit der G7 abzustimmen. Handels- und Industrieminister Yoji Muto erklärte am 21. Oktober 2025, dass Japan im Einklang mit seinen nationalen Interessen handeln und sich dabei eng mit der internationalen Gemeinschaft abstimmen werde.

Die USA drängen auf ein härteres Vorgehen. Im Oktober 2025 forderte US-Finanzminister Scott Bessant Japans Finanzminister direkt auf, die Importe russischer Energie einzustellen. Die neue Premierministerin Takaichi erklärte in einem persönlichen Treffen mit dem US-Präsidenten, es sei äußerst schwierig, den Kauf von russischem LNG zu stoppen, da dieses etwa 9 % der japanischen Importe ausmache. Medienberichten zufolge erklärte sie, ein Kaufstopp würde „nur China und Russland freuen“, da andere Länder (Indien, China) ohnehin einen größeren Anteil der russischen Exporte abnehmen würden.

Gleichzeitig arbeitet Japan aktiv an der Diversifizierung seiner LNG-Lieferungen, insbesondere aus den USA. Laut einem Bericht von Japan NRG hat US-amerikanisches LNG das Potenzial, einen signifikanten Anteil an der japanischen Versorgungsstruktur zu gewinnen. Die Studie prognostiziert, dass bis 2030 rund 55 % des globalen LNG-Wachstums auf die USA entfallen könnten. Washington hat Japan aufgefordert, die Käufe russischer Energieträger zu reduzieren und Alternativen zu US-amerikanischen LNG-Projekten angeboten. So hat Japan beispielsweise bereits in US-amerikanische Schiefergasvorkommen investiert. Die USA stellen somit einen wichtigen potenziellen Partner für Tokio dar – der Import von US-amerikanischem LNG ermöglicht eine höhere Energiesicherheit und eine geringere Abhängigkeit von geopolitisch riskanten Quellen. Die japanische Regierung erkennt dies an, betont aber gleichzeitig, dass die Veränderungen schrittweise erfolgen sollten, ohne die Energieversorgung zu gefährden.

Auswirkungen auf die Ukraine

Für die Ukraine ist Japans Position sowohl aus diplomatischer als auch aus wirtschaftlicher Sicht von großer Bedeutung. Tokio sichert Kyjiw seine unerschütterliche Unterstützung zu. Seit 2022 hat Japan der Ukraine über 15 Milliarden US-Dollar an Finanzhilfen zukommen lassen (weitere 3,5 Milliarden US-Dollar wurden angekündigt) und gehört damit zu den größten Gebern. Japanische Führungskräfte betonen regelmäßig, dass Bedrohungen allgegenwärtig seien: Analysten weisen darauf hin, dass „die Japaner sich zunehmend der gegenseitigen Abhängigkeit der Sicherheit Osteuropas und Ostasiens bewusst werden“. Die Regierung betrachtet die russische Aggression als Test der globalen Ordnung und hat ein strategisches Interesse daran, den Aggressor abzuschrecken, da eine Niederlage der Ukraine zu einer Destabilisierung Taiwans und zu Konflikten mit Nordkorea führen könnte. Die öffentliche Unterstützung in Japan ist nahezu einhellig: Über 74 % der Bürger sind bereit, der Ukraine zu helfen, und 87 % sehen russland als Bedrohung für sich selbst. Unter diesen Umständen ist Japan zu einem wichtigen Akteur der internationalen Koalition gegen Russland geworden.

Die Signale an die Koalition sind uneinheitlich. Einerseits stockt Japan seine Hilfeleistungen weiter auf und unterstützt nachdrücklich andere Wirtschaftssanktionen. Andererseits bedeutet die Abhängigkeit von billigem russischem LNG, dass ein vollständiger Abbruch der Käufe nur schrittweise möglich ist. Dies ist der internationalen Gemeinschaft allgemein bekannt. Schon vor US-Präsident Trumps Asienreise warnte Tokio davor, die Ölreserven mit Bedacht freizugeben, um Russland keine zusätzlichen Einnahmen durch asiatische Verbraucher zu verschaffen. Sollte Japan die Importe einstellen (die derzeit weniger als 1 % des Öl- und etwa 9 % des Gasbedarfs ausmachen), würde diese Lücke schnell von Indien, China usw. gefüllt werden, was für die Ukraine bedeuten würde, dass der Sanktionsdruck weniger wirksam wäre.

Gleichzeitig ist Japan für Kyjiw als Tor nach Asien von großem Wert. Die Zusammenarbeit mit Tokio hilft der Ukraine, Unterstützung von anderen Staaten der Region zu gewinnen und neue Handelswege zu erschließen. Japans Beteiligung an der Koordinierung von Sanktionen (auch solchen, die nicht den Energiesektor betreffen) stärkt die Position der Ukraine bei Verhandlungen in der UN und der G7. Daher sollte die Forderung nach einem vollständigen Verzicht auf russische Energiequellen nicht außer Acht gelassen werden. Für Japan sind solche Schritte nur im Rahmen einer gemeinsamen, langfristigen Diversifizierungsstrategie möglich, die alle Industrieländer schrittweise verfolgen.

Wichtigste Erkenntnisse

  1. Geringe Selbstversorgung und starke Importabhängigkeit. Japan importiert fast 94 % seines Energiebedarfs (hauptsächlich Öl und Gas). Der Mangel an eigenen Ressourcen macht es unmöglich, ohne Vorsorgemaßnahmen oder alternative Bezugsquellen einen wichtigen Lieferanten abrupt aufzugeben. Russisches Öl glich bisher die Importe aus dem Nahen Osten aus; ein Wegfall dieser Lieferungen macht Importe aus anderen Quellen notwendig.

  2. Die Projekte Sachalin-1 und Sachalin-2 spielen eine wichtige Rolle. Sachalin-2 deckt rund 9 % der japanischen LNG-Importe und etwa 3 % des japanischen Strombedarfs. Die langfristigen Verträge laufen bis Ende der 2020er und Anfang der 2030er Jahre; ihre Kündigung wäre mit hohen Kosten und Risiken verbunden. Sachalin-1 ist ein bedeutendes Ölprojekt mit japanischer Beteiligung, das derzeit jedoch nur einen geringen Anteil der Importe deckt. Die US-amerikanische Beteiligung ist aufgrund der japanischen Investoren eingeschränkt.

  3. Das Gleichgewicht zwischen Sanktionen und nationalen Interessen. Einerseits hat Japan sich verpflichtet, auf russisches Öl zu verzichten (G7) und unterstützt die meisten Sanktionen, während es gleichzeitig die Stabilität der Energieversorgung wahren will. Andererseits sind die hohen LNG-Käufe aus Russland auf den nationalen Bedarf zurückzuführen. Die japanische Führung hat wiederholt betont, dass ein Importstopp aus Russland „für Japan schwierig sein wird“ und den einseitigen Druck der USA zurückgewiesen, wobei sie die nationalen Ziele hervorgehoben hat.

  4. Diversifizierung und Energiewende. Japan weitet die Importe aus den USA, Australien, Malaysia und anderen Ländern aus, baut strategische LNG-Reserven auf, modernisiert Kernreaktoren und führt „grüne“ Energie ein.

  5. Auswirkungen auf die Ukraine. Japan ist einer der wichtigsten Geber und Verbündeten der Ukraine und unterstützt Kyjiw seit jeher finanziell und diplomatisch. Die fortgesetzten Käufe russischen Gases geben jedoch im Zusammenhang mit der gemeinsamen Front gegen den Aggressor Anlass zur Sorge. Formal hat sich Japan den Energiesanktionen (Ölbeschränkungen) zwar teilweise angeschlossen, den EU-Sanktionen jedoch nicht vollständig und kauft weiterhin russisches Gas. Dies könnte die Wirksamkeit des Drucks auf Moskau verringern, denn „wenn Japan die Käufe einstellt, werden China und Indien die entstehende Lücke füllen“. Andererseits wahrt Japan in anderen Bereichen die Interessen der Ukraine – durch das Einfrieren russischer Vermögenswerte, die Blockierung kritischer Technologielieferungen und das solidarische Vorgehen in NATO und G7. Daher bleiben Zusammenarbeit und Dialog mit Tokio von größter Bedeutung.


Die analytische Studie wurde von Maria Hirniak, Expertin für die Politik Japans, speziell für Resurgam vorbereitet.

Der Autor des Artikels:
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